Auszüge aus Schriftfragmenten

Vorbemerkung: Bei der Auswahl der Auszüge habe ich mich bemüht, Redundanz möglichst zu vermeiden. Da aber andererseits die zeitliche Entwicklung von Gedanken und Erkenntnissen dazu beiträgt, diese besser verständlich zu machen, habe ich manchmal Inhalte übernommen, die in späteren Texten wieder auftauchen. Bis auf Weglassungen, orthographische Korrekturen, Formatierung und kleinste Anpassungen wurden keine Änderungen vorgenommen.


1988

Eine Kritik der Prämissen der Relativitätstheorie

Die Geburtsstunde der Physik als exakte Wissenschaft wird meistens mit Galileo Galilei und im speziellen mit der Formulierung seines Relativitätsprinzips und seines Trägheitssatzes in Verbindung gebracht. Wenn man bedenkt, dass diese zwei Axiome zu einer Zeit formuliert wurden, als man sich noch darüber stritt, ob sich die Erde bewegt oder nicht, ist es erstaunlich, dass sie auch heute immer noch als Grundlage der gesamten Physik dienen.

Das Relativitätsprinzip verdankt seine universelle Formulierung der Tatsache, dass sich jedes 'Inertialsystem' prinzipiell in gleicher Weise eignet, die von Galilei untersuchten physikalischen Zusammenhänge in eine mathematische Form zu bringen (Galilei-Invarianz der mathematischen Formulierung der Mechanik). Aus der Problematik, die sich ergab, eine Geschwindigkeit Null festzustellen, bei der ein Körper den tiefsten (absoluten) Energiegehalt besitzt, wurde von der mathematischen 'Gleichwertigkeit' der verschiedenen Inertialsysteme auf deren physikalische Gleichwertigkeit geschlossen.

Inzwischen hat sich die Physik weiterentwickelt. In Teilchenbeschleunigern werden Teilchen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, wobei deren Masse um Zehnerpotenzen zunimmt. Aufgrund des Relativitätsprinzips nimmt man an, dass vom Teilchen aus betrachtet die Masse der Erde, der Sonne, ja der ganzen Galaxie um den gleichen Faktor zunimmt. Es wäre sicher interessant zu untersuchen, wie die Widersprüche, die sich daraus wegen der verschiedenen Gravitationsbeschleunigungen zwangsläufig ergeben, im Detail aussehen.

Der Trägheitssatz sagt aus, dass sich ein kräftefreier Körper exakt geradlinig gleichförmig bewegt. Dies ist aber insofern eine leere Aussage, als es kräftefreie Körper im Weltall nicht gibt. Eine andere Version lautet so: Ein Körper bewegt sich immer exakt gerade aus mit gleichbleibender Geschwindigkeit, wenn keine anderen Körper vorhanden sind, die auf ihn einwirken können. Aber auch diese Aussage bleibt inhaltslos, solange man nicht einen 'absoluten Raum' postuliert.

Albert Einstein hat von der Bewegung eines Körpers gesprochen, der genügend weit von allen anderen entfernt ist. Aber auch in dieser Version, die der Realität am nächsten kommt, wird das eigentliche Problem nicht aufgehoben, sondern nur verschoben. Denn unter was für Umständen ist ein Körper von allen anderen genügend weit entfernt, sodass man von einer exakt geradlinigen Bewegung mit gleichbleibender Geschwindigkeit (bezogen auf den absoluten Raum?) sprechen kann?

Man muss versuchen, dem Trägheitssatz eine zeitgemässe (realitätsbezogene) Form zu geben. Jeder Körper, der sich z.B. in unserer Milchstrasse bewegt, erfährt von allen Seiten Gravitationsbeschleunigungen. Bei genauer Kenntnis der Massenverteilung der Milchstrasse (und der übrigen Galaxien) lässt sich die resultierende Gravitationsbeschleunigung berechnen. Beschleunigt man den Körper zu jedem Zeitpunkt künstlich um den umgekehrten Vektor, so bekommt die Frage nach dem Verlauf des Körpers einen konkreten physikalischen Sinn.

Auf diese Frage gibt es zwei prinzipiell verschiedene Antworten:

Die erste ist analog dem Galileischen Relativitätsprinzip und besagt, dass die Bewegung des Körpers komplett unabhängig von der Bewegung aller übrigen Himmelskörper verläuft, also geradlinig gleichförmig bezogen auf einen geometrischen (und damit absoluten) Raum.

Gemäss der zweiten Antwort ist die Bewegung des Körpers immer noch an die Bewegung der übrigen Himmelskörper gebunden.


1991

Beweisen

Contra: Du stellst verschiedene schwerwiegende Thesen auf. Bist du aber auch in der Lage, diese Thesen zu beweisen.

Pro: Was heisst schon beweisen. Theologie, Philosophie und Wissenschaften sind voll von Beweisen. Vielfach wurden sich widersprechende Aussagen auf elegante Weise bewiesen oder allgemein anerkannte Beweise von späteren Denkern als unsinnig erkannt.

Ich bin der Meinung, dass es unsinnig ist, etwas formal zu beweisen. Wenn ich etwas als richtig erkannt habe, so sollte ich andere Menschen dazu bringen können, dass auch sie durch eigene Einsichtnahme dieses als richtig anerkennen können. Wenn ich dazu nicht in der Lage bin, so nützt auch ein Beweis nichts (ausser dem Scheine). Denn anstatt mich auf meine eigene (oder sonst eine) Autorität zu berufen, berufe ich mich auf die Autorität des Beweises.

Sobald ich mich aber in Fragen der Erkenntnis auf irgendeine (institutionelle, religiöse, persönliche usw.) Autorität berufe, so handelt sich um glauben.

Das soll nicht heissen, dass es keine Möglichkeit gibt, etwas formal zu beweisen. Aber Überzeugungskraft für die Richtigkeit des zu Beweisenden kann der Beweis nur für diejenigen Menschen besitzen, die ihn als Ganzes begreifen.

Während Einsicht induktiv von überschaubaren Zusammenhängen zu immer komplexeren (erlebnis-ferneren) Gesetzmässigkeiten aufsteigt, so werden formale Beweise meist deduktiv geführt, wobei vielfach von erlebnis-fernen Axiomen ausgegangen wird.


1991

Seele

R: Es gibt also immer noch Leute, die das Wort Seele in den Mund nehmen und glauben, damit etwas auszusagen. Dabei haben doch moderne Wissenschaft und Philosophie gezeigt, dass es keine Möglichkeit gibt, Existenz oder Nicht-Existenz einer Seele zu beweisen oder zu widerlegen.

Z: Um überhaupt sinnvoll über eine solche Thematik sprechen zu können, müssen wir uns zuerst klare Begriffe schaffen. Der Begriff 'Seele' ist in verschiedenen Köpfen mit verschiedenen Erlebnisinhalten und sprachlichen Konstruktionen verknüpft, so dass es keinen Sinn hat, nach Existenz oder Nicht-Existenz des durch ihn Bezeichneten zu fragen.

Die Frage stellt sich vielmehr so: Lässt sich durch klare empirisch-induktive Konstruktion ein fruchtbarer Begriff bilden, der dem nahe kommt, was wir intuitiv unter 'Seele' zu verstehen glauben? Ich bin der Meinung, dass sich ein solcher Begriff bilden lässt und dieser in zukünftigen Plansprachen nicht fehlen darf.

R: 'Empirisch-induktive Konstruktion eines Begriffes' scheint mir etwas abstrakt.

Z: Das ist allzu verständlich. Ich halte es für das Beste, gerade anhand des besprochenen Beispiels eine solche Begriffsbildung zu versuchen.

Worin unterscheiden sich Menschen voneinander?

R: In Körper, genetischer Information, und in den Informationen (erlebtes, gelerntes usw.) die im Gedächtnis (bewusst und unbewusst) abgespeichert sind.

Z: Aus reduktionistischer Sicht dürften das die drei wesentlichsten Unterschiede sein.

Unterscheiden sich aber nicht auch die Körper eines einzelnen Menschen ganz erheblich während eines Lebens. Der Körper des Greises hat weder in der Form noch in seinen materiellen Bestandteilen etwas gemein mit dem desselben Kleinkindes. Sehr ähnlich steht es mit den Gedächtnis-Informationen, dem Denken und Empfinden eines Menschen. All das kann es folglich nicht sein, das die Individualität eines Menschen, die doch von Geburt bis zum Tode dieselbe ist, ausmacht.

R: Aber gibt es denn überhaupt eine solche gleichbleibende Individualität eines Menschen. Wenn es eine solche gibt, dann könnte man sie ja ohne weiteres als Seele bezeichnen, und wir wären schon am Ende deiner Begriffskonstruktion.

Z: Richtig gedacht. Wir müssen unsere Untersuchung darauf richten, ob es sinnvoll ist, von einer solchen gleich-bleibenden Individualität eines Menschen zu sprechen.

R: Das ist natürlich sinnvoll, denn mindestens der genetische Code bleibt während eines ganzen Lebens derselbe, aber daraus den Begriff der Seele abzuleiten, scheint mir doch etwas weit her geholt.

Z: Der genetische Code ist aber auch bei eineiigen Zwillingen derselbe, aber trotzdem handelt sich um verschiedene Individuen, die je für sich subjektiv die Welt erleben. Es gibt sogar eineiige Zwillinge mit sehr unterschiedlichen psychischen Eigenschaften (Charakter, Interessen, Intelligenz).

R: Das kann nur auf unterschiedliche Umwelteinflüsse zurückzuführen sein.

Z: Ich stimme mit dieser Aussage nicht überein, möchte aber jetzt nicht darauf eingehen. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen dem empfindenden Individuum und dem genetischen Code: Letzterer ist prinzipiell kontinuierlich veränderbar. So sollte sich dein genetischer Code durch eine Kette kleiner Veränderungen in den meinigen verwandeln lassen. Es scheint aber unmöglich zu sein, sich Individuen vorzustellen, die Anteil sowohl an dir als auch an mir haben.

Wenn wir einen vagen Vergleich aus der Mathematik nehmen, so könnte man sagen, der genetische Code entspricht reellen Zahlen, die Individuen aber ganzen Zahlen. Wenn ich dir die Zahl 2 und mir die Zahl 3 zuordne, so ist keine kontinuierliche Verbindung zwischen ihnen denkbar. Ordne ich jedoch deinem genetischen Code die Zahl 2 und dem meinigen die Zahl 3 zu, so sind alle dazwischen liegenden reellen Zahlen denkbar.


1991

Prolog

Wenn Dich dieser erste Satz irritiert, dann lies zuerst ... Ich habe mich beim Verfassen dieser Schrift um möglichst grosse Klarheit und Sparsamkeit der sprachlichen Mittel bemüht. Daraus ergibt sich das Risiko, bestehenden Konventionen nicht immer gerecht zu werden. Bei dieser Schrift handelt es sich um einen Kompromiss in mehrfacher Hinsicht. Dem Streben nach Kürze und Prägnanz steht das Bemühen um Verständlichkeit entgegen. Auch müssten so gewagte Thesen, wie ich sie vertrete, sehr viel umfangreicher und sorgfältiger durch Fakten belegt werden, als ich dazu in der Lage war. Vor allem aber stand dem Streben nach Perfektion das Ziel, die Schrift vor Ablauf des Jahres 1991 fertigzustellen, und die Erkenntnis, dass das Bessere der grösste Feind des Guten ist, entgegen.

Bei aller Bescheidenheit bin ich jedoch der Meinung, dass es sich bei dieser Verknüpfung von meist Altbekanntem trotz der vielen Unzulänglichkeiten um die revolutionärste Schrift handeln könnte, die bisher verfasst wurde. Ich masse mir also an zu fordern (mit grösserem Recht als schon Kant), dass die hier vorgetragenen Thesen vorrangig auf möglichst breiter Basis untersucht werden, da sie das Fundament betreffen, auf dem der grösste Teil unseres heutigen (wissenschaftlichen) Weltbildes steht.

Diese Schrift beinhaltet u.a. die Erkenntnis, deren Tragweite meines Erachtens alle bisherigen Erkenntnisse der Menschheit (Stellung der Erde, Evolution der Arten, u.s.w.) übertrifft: Individuelles, subjektiv die Welt erlebendes Bewusstsein stellt eine physikalische, d.h. der empirischen Forschung zugängliche Realität dar und ist ein wesentliches Element der biologischen Evolution. Unsere Seelen (auch die der Tiere) sind kein Nebenprodukt der Materie sondern haben sich im Laufe der Zeit durch unzählige Reinkarnationen entwickelt. Das Phänomen W. A. Mozart wurzelt primär weder in einer glücklichen genetischen Kombination noch in der Umgebung, in die er hineingeboren wurde, sondern darin, dass Mozart die Wiedergeburt eines grossen Musikers war. Ich bin der Meinung, dass es sich hierbei nur um J. S. Bach gehandelt haben kann.

Die Relativitätstheorie ist falsch. Das schliesst nicht aus, dass viele ihrer Folgerungen richtig sind, wie z. B. Masse-Energie-Äquivalenz oder Additionstheoreme für Geschwindigkeiten. Die universelle Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wurde nie experimentell bestätigt sondern stellt eine rein theoretische Schlussfolgerung dar. Experimente belegen nur, dass die Lichtgeschwindigkeit auf der Erde in alle Richtungen im messbaren Bereich konstant ist. (Als relativ kann man Zeitintervalle bezeichnen, nicht jedoch Gleichzeitigkeit.) Die Prämissen der allgemeinen Relativitätstheorie sind kaum weniger willkürlich als die platonischen Körper in Kepler's Weltmodell der Planetensphären. Das eigentlich erstaunliche an beiden Modellen ist, dass sie in ihrem Rahmen relativ gut mit der Realität übereinstimmen.

Als die Relativitätstheorie althergebrachte Vorstellungen über den Haufen warf, ergab sich eine Dynamik, im Verlaufe derer Physiker immer revolutionärere Erkenntnisse an den Tag ziehen wollten. Man könnte fast sagen, dass anstatt der einfachsten und konventionellsten immer die absurdesten Erklärungen gesucht wurden, die sich mathematisch noch sauber darstellen lassen. So ist es kaum erstaunlich, dass die Quantenmechanik in prinzipieller Hinsicht nicht weniger falsch ist als die Relativitätstheorie. Es war ein Fehler von Einstein, der Quantenmechanik nur Unvollständigkeit vorgeworfen zu haben. Aber als Verantwortlicher für die Relativitätstheorie hatte er kaum eine andere Möglichkeit.

Um uns in der Vielfalt der heutigen Vorstellungen und Theorien zurechtzufinden, müssen wir uns wieder vermehrt mit unserer Fähigkeit zu denken und zu erkennen auseinandersetzen. Nur so können wir der Gefahr entgehen, willkürliche sprachliche oder mathematische Konstruktionen mit der Realität zu verwechseln. Unser Denken hängt zu einem wesentlichen Teil von der Sprache ab. Nur wenn wir uns der sprachlichen Strukturen und der Begriffsbildung bewusst werden, können wir einen weiteren wesentlichen qualitativen Fortschritt in unserer geistigen Entwicklung erreichen. Dann werden wir nicht nur einsehen, dass viele Gesetze (z.B. die der formalen Logik) stärker von den Begriffen (z.B. richtig, falsch) als von Realität abhängen, sondern wir werden uns auch besser gegen Vorurteile schützen können.


1991

Erkennen, Sprache, Logik

Das Streben nach Erkenntnissen ist zu einem wesentlichen Faktor der Evolution geworden. Es scheint primär durch das Leben- und Überlebenwollen motiviert. Die Erkenntnis z.B., wie man durch Reibung Feuer erzeugt, brachte den Urmenschen eine unschätzbare Überlebenshilfe. Wenn das Interesse am Erkennen durch die Erwartung eines praktischen Nutzens angeregt worden ist, so ist es auch verständlich, dass die Mehrheit der wissenschaftlich tätigen Menschen mehr an den als richtig anerkannten Theorien und deren Weiterentwicklung interessiert sind als an deren Infragestellung. Nur eine Minderheit glaubt, aus dem Über-den-Haufen-werfen alter Vorstellungen allgemeinen oder auch nur persönlichen Nutzen ziehen zu können.

Erst in einer späten Phase der menschlichen Evolution entstanden die Sprachen. Parallel mit ihrer mehr oder weniger kontinuierlichen Entwicklung änderte sich unsere Weise des Erkennens. Vor einem bestimmten Entwicklungsstand der Sprachen war die eigene sinnliche Wahrnehmung Voraussetzung für jede Erkenntnis. Die Unterstützung der Mit-Urmenschen konnte sich nur darauf beschränken, uns das zu Lernende vorzuzeigen oder darauf hinzudeuten. Mit der Weiterentwicklung der Sprachen wurde der Anteil, den wir nur in Form von Lauten und ohne eigene dazugehörende sinnliche Wahrnehmung lernten, immer grösser.

Durch die Entstehung von Schriften und der damit verbundenen Möglichkeit der Überlieferung von Texten über Generationen wurde diese Versprachlichung des Lernens und Erkennens noch verstärkt. Während wir als vor-sprachliche Urmenschen noch selbst zu unseren averbalen Begriffen (z.B. solche, die wir heute mit ungeniessbar, essbar oder Raubtier bezeichnen) und Erkenntnissen gelangten, lernen wir jetzt vielfach die Worte und sprachlichen Konstruktionen, bevor wir diese mit eigenen Erlebnisinhalten verknüpfen können. Vielfach gelangen wir nie zu einer solchen Verknüpfung.

Viele Worte lassen sich nicht mit Erlebnisinhalten (Empfindungen, Erinnerungen, raum-zeitlichen Vorstellungen u.Ä.) in Beziehung setzen sondern können bestenfalls intuitiv erfasst werden. Dieses intuitive Erfassen, das ein Wort zu einem Begriff werden lässt, besteht aber oft nur darin, dass das Wort im eigenen Bewusstsein mit anderen Wörtern, sprachlichen Konstruktionen, Begriffen und/oder Gefühlen (z.B. angenehm, unangenehm) verknüpft ist. Solche Verknüpfungen, für die wir aufgrund der Reinkarnation auch eine angeborene Prädisposition haben können, entstehen meist nur durch Angewöhnung. Ungefähr so wie wir wissen, dass nach a,b,c,d nicht x sondern e folgt, so ist der Begriff Gott im Bewusstsein von vielen mit Begriffen wie unendlich, transzendent, dreieinig, gerecht oder anderen verknüpft.

Während der eine Schriftsteller Vernunft, Verstand, Ratio und Intellekt nur deshalb abwechslungsweise benutzt, um dem Vorwurf der Wiederholung zu entgehen, glaubt ein anderer, mit ihnen einen jeweils unterschiedlichen Aspekt unseres Denkens zu bezeichnen. Begriffe (Bedeutungen von Worten) können nur in einem Bewusstsein und nirgends sonst vorkommen. Begriffe sind nicht statisch, sondern können sich ändern. Oft reicht schon längeres Gespräch oder ein Text, um mit einem Wort in unserem Bewusstsein einen modifizierten oder ganz anderen Begriff zu verknüpfen. Nach Wittgenstein ist die Bedeutung eines Wortes nichts anderes als sein Gebrauch in der Sprache. Da sich der Sprachgebrauch ändert, folgt auch aus dieser etwas zu radikal geratenen Aussage, dass die Bedeutungen von Wörtern nicht apriori gegeben sein können.

Möglicherweise stimmst du nicht mit meinen Sprachgebrauch der Worte Wort und Begriff überein. Wo ich Wort verwende, würdest du vielleicht Begriff und, wo ich Begriff, du vielleicht Begriffsbedeutung verwenden. Deine Argumentation: Es gibt genau einen Begriff, der durch synonyme oder verschiedensprachige Wörter wie Wahrheit, verité oder truth bezeichnet wird. Man kann sich nur noch über die Bedeutung, nicht aber über die Existenz dieses Begriffs streiten.

Dem entgegne ich so: Es kann nicht bezweifelt werden, dass wir vielfach Begriffe bilden, ohne sie durch ein Wort zu bezeichnen, z.B. wenn wir eine Pflanze von anderen unterscheiden können, jedoch ihren Namen nicht kennen. So ein averbaler Begriff kann im Nachhinein mit verschiedenen Worten (z.B. Wahrheitsblume, fleur de vérité und truth flower) bezeichnet werden. Würden wir jetzt etwas Begriff nennen, das nur aus diesen Worten folgt und von der Pflanze in unserem Bewusstsein unabhängig ist, so müssten wir unseren ursprünglichen Begriff (d.h. die Pflanze in unserem Bewusstsein) jetzt als Bedeutung jenes Begriffs auffassen.

Natürlich könntest du einwenden, dass averbaler Begriff widersinnig sei und dass man das, was ich damit ausdrücken möchte, besser durch eine andere Wortfolge ausdrücken sollte, z.B. averbale durch Abstraktion bzw. Induktion gewonnene Vorstellung.

Es ist nicht möglich, uns mit unseren unklaren Begriffen und sprachlichen Strukturen über diese Problematik völlige Klarheit zu schaffen. Klarheit können wir uns nur durch einen Prozess der sorgfältigen Analyse der bestehenden Sprachelemente bei gleichzeitiger Synthese von immer besseren annähern. Radikaler ausgedrückt: Mit unseren natürlichen Sprachen lässt sich kein wesentlicher Fortschritt mehr auf dem Gebiete der Philosophie (als Fundament aller Wissenschaften) erreichen; wenn wir diese wild gewachsenen Sprachen nicht vergewaltigen wollen, so müssen wir Plansprachen entwickeln, die auf innerer Logik und Harmonie begründet sind anstatt auf der Willkürherrschaft des etablierten Sprachgebrauchs.

Der Glaube, dass einem Wort auch ausserhalb eines (menschlichen) Bewusstseins apriori eine von dessen physischem Träger (z.B. der Lautfolge) unabhängige 'höhere' Realität zukommt, führte zu Aussagen wie 'am Anfang war das Wort'. Auch die Lösung Platons des von Sokrates in aller Schärfe aufgeworfenen Problems der Begriffe unterscheidet sich prinzipiell kaum vom Bibelsatz. Erst Aristoteles (möglicherweise die Wiedergeburt von Sokrates) erkannte, dass Begriffe nach bestimmten Prinzipien von uns geschaffen werden. Trotz dieser revolutionären Erkenntnis ist die Geschichte bis heute durch eine Begriffsgläubigkeit geprägt, die der platonischen Weltsicht entspricht. Die Gründe dafür sind u.a. folgende:

1.      'Heilige Schriften' können nur dann absolute und ewige Wahrheiten enthalten, wenn es sich bei den darin verwendeten Worten um absolute und ewige Begriffe handelt.

2.      Beim Denken gebrauchen wir Begriffe, die wir nicht gleichzeitig in Frage stellen können. Begriffe, die benötigt werden, um unser Denken oder die Prinzipien der Begriffsbildung zu analysieren oder zu beschreiben, müssen als apriori gegeben angesehen werden, wenn man den gewonnenen Resultaten objektive Gültigkeit zuschreiben will.

3.      Viele Begriffe, die wir intuitiv zu verstehen glauben (Gerechtigkeit, Schönheit, Tapferkeit, Gott, objektive Wahrheit, Kausalität, absolut, transzendent), stellen einer Analyse ihrer Bildung aus sinnlichen Wahrnehmungen oder Vorstellungen grosse, oft unüberwindbare Hindernisse entgegen.

4.      Aufgrund der Reinkarnation haben wir für viele Begriffe, sprachliche Strukturen und Vorstellungen eine angeborene Prädisposition. Was schon in früheren Leben für uns Gültigkeit besass, glauben wir intuitiv zu verstehen. Solche 'angeborenen Ideen' können eine starke Macht auf unser Denken ausüben. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Begriff Gott.

Dass es sich bei solchen Überlegungen keineswegs nur um belanglose sprachphilosophische Spitzfindigkeiten handelt, kannst du an folgendem Beispiel erkennen: Jemand trägt den Begriff Jude (im Sinne einer platonische Idee) in seinem Bewusstsein. Der Begriff ist dort zudem mit dem Bösen an sich verknüpft. Wenn ein solcher Mensch glaubt, dass seinen Begriffen auch ausserhalb seines Bewusstseins eine apriori gegebene 'höhere' Existenz zukommt, so kann er leicht folgende Schlüsse ziehen:

1.      Den Juden bekämpfen bedeutet das Böse an sich bekämpfen.

2.      Der Zweck der Bekämpfung des Bösen an sich heiligt alle Mittel, denn kein Mittel kann so schlecht sein, dass es an das Böse an sich heranreicht.

3.      Alle Menschen (Säuglinge, Kinder, Frauen, Männer), die unter den Begriff Jude fallen, müssen des Guten wegen vernichtet werden.

4.      Jede menschliche Rücksichtnahme, die das Erreichen dieser Zielsetzung verhindert oder verzögert, muss abgelehnt werden.

5.      Bei Mitleid und Respekt vor empfindenden Kreaturen handelt sich um persönliche Schwächen, die überwunden werden müssen.

Öfters kann man Aussagen der folgenden Art lesen:

1.      Die Naturgesetze reichen vollkommen aus, um das Phänomen Leben zu erklären; es ist daher nicht nötig übernatürliche Kräfte wie z.B. Entelechie (eine in den Lebewesen wirkende Lebenskraft) einzuführen.

2.      Telepathie kann es nicht geben, da sie den physikalischen Gesetzen widerspricht.

Es gibt einen bestimmten Teilbereich unserer Wahrnehmungen und Erfahrungen, den wir den Bereich der Physik nennen. Unter der Voraussetzung, dass wir in diesem Bereich Regelmässigkeiten erkennen können, die sich sprachlich oder mathematisch formulieren lassen, können wir all diese potentiell erkennbaren Regelmässigkeiten als physikalische Gesetze bezeichnen. Wir meinen damit dann das, was im Gegensatz zu den in jedem Zeitalter vorherrschenden physikalischen Vorstellungen und Theorien bleibende Gültigkeit besitzt. Andererseits wird die Wortfolge physikalische Gesetze meist nur für die z.Z. als richtig anerkannten Vorstellungen und Theorien verwendet.

Obige Aussage 2 wird somit entweder zu 2a) "Telepathie kann es nicht geben, da sie unseren heutigen physikalischen Vorstellungen und Theorien widerspricht" oder zu 2b) "Telepathie kann es nicht geben, da alle denkbaren physikalischen Vorstellungen und Theorien (der Gegenwart und Zukunft) Telepathie apriori ausschliessen". Während Aussage 2a wenig Überzeugungskraft besitzt, bräuchte es für das Festhalten an 2b schon eine gehörige Portion Anmassung (ungefähr eine solche wie die meinige als Verfasser dieser Schrift). Nur wenn die beiden Bedeutungen der Wortfolge physikalische Gesetze gleichsetzt werden, indem man wie jedes Zeitalter die aktuellen Theorien und Vorstellungen als die endgültigen, d.h. als die Realität ansieht, kann Aussage 2 zu einer überzeugenden logischen Schlussfolgerung werden.

Bei Aussage 1 ist es vor allem die Wortfolge übernatürliche Kräfte, die kritisch analysiert werden muss. Ersetzt man sie durch Kräfte, die den Naturgesetzen widersprechen, so wird deutlich, dass es sich wieder um die gerade aufgezeigte Problematik handelt. Sollte es sich aber doch herausstellen, dass ein treuer kleiner Hund sich prinzipiell von einem Roboter, dem das Verhalten eines Hundes einprogrammiert wurde, unterscheidet, dass es zusätzlich zur genetischen Information und zur Materie noch etwas braucht, das jedes Lebewesen beseelt, dass die metaphysischen Dogmen des Reduktionismus kein besseres Schicksal erleiden werden als die vielen anderen als unsinnig erkannten Dogmen, so wäre es sicher widersinnig, solche belebenden Kräfte als unnatürlich zu bezeichnen.

Stell dir vor, jemand macht sich an die Aufgabe, die wesentlichen, empirisch messbaren Unterschiede zwischen den vier menschlichen Rassen (der gelben, roten, schwarzen und der weissen) herauszuarbeiten. Je unkritischer seine Vorgangsweise, desto schneller kommt er zu klaren Resultaten. Je kritischer seine Vorgangsweise, desto eher wird er erkennen, dass schon die Unterteilung der Menschen in diese vier Rassen äusserst fragwürdig ist. Denn nicht nur die Mischlinge sondern auch ein grosser Teil der Nicht-Mischlinge lassen sich schlecht unter eine der vier Rassen einordnen.

Bei der Unterscheidung in vier Rassen handelt es sich nicht um etwas, das auch in der Realität in dieser Weise unterschieden ist, sondern um etwas, das höchstens in unseren Köpfen existiert. Sofern diese Unterscheidung als Sichtweise dient, unter die wir die Wahrnehmungen von Menschen einordnen, d.h. unter die wir Menschen klassifizieren, könnte man sie also als Kategorie bezeichnen. Für die ideologische Sichtweise des dritten Reichs war die Unterscheidung in Jude und Nicht-Jude von dogmatischer Bedeutung. Der Glaube, dass diese auch in der Realität ihre Entsprechung haben muss, gab zu einigen grauenhaft-grotesken Experimenten Anlass.

Selbst der Unterteilung von Aussagen in richtige und falsche durch die Aristotelische Logik haftet etwas Willkürliches an. Wir haben uns aber so stark an diese Unterteilung gewöhnt, dass es schwierig ist, uns dieser Willkür bewusst zu werden.

Viele Erkenntnisse lassen sich sowohl sprachlich-formal, als auch anschaulich erfassen. Ein schönes Beispiel hierfür ist der Wechsel der Jahreszeiten, der in Zusammenhang mit der Neigung der Erdachse gegen die Ekliptik um 23°27' steht. Eine ausführliche Begründung der Jahreszeiten kann einerseits rein sprachlich gelernt werden. Andererseits lässt sich die Begründung auch anschaulich verstehen, wobei die Wörter Neigung, Erdachse, Ekliptik gar nicht benötigt werden. Ein Schüler, der nach langer Mühe solch eine sprachlich formulierte Erklärung endlich anschaulich verstanden hat, kann leicht den Fehler begehen, die rein sprachliche Erklärung als nicht mehr wichtig zu erachten. Dieser Fehler rächt sich aber meist schon bei der nächsten Prüfung, im Gegensatz zum (m.E. gravierenderen) Fehler eines anderen Schülers, sich um das anschauliche Verständnis gar nicht zu bemühen.

Im Laufe der Geschichte hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass 'das abstrakt-unanschauliche Denken durch die höchste Form der Repräsentation gekennzeichnet' sein soll. Als Beweis dafür gilt heutzutage die Unanschaulichkeit vieler Theorien der sog. exakten Wissenschaften. Es sollte uns aber zu denken geben, dass Maschinen (Computer) das abstrakt-formale Denken inzwischen bestens beherrschen, aber weit von dem entfernt sind, was man auch nur annähernd als anschauliche oder 'ganzheitliche' Vorstellung bezeichnen könnte.

Der Unterschied zwischen der linearen abstrakt-formalen und der ganzheitlichen anschaulichen Methode lässt sich beim Bestimmen der Anzahl einer Menge Münzen aufzeigen. Das Zählen entspricht der linearen Methode. Wenn ich bei vier von fünf Zählungen als Resultat 99 erhalten habe, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass es 99 Münzen sind, ziemlich gross. Die anschauliche Methode besteht darin, die Münzen folgendermassen aufzulegen:

          o o o o o    o o o o o
          o o o o o    o o o o o
          o o o o o    o o o o o
          o o o o o    o o o o o
          o o o o o    o o o o o
 
          o o o o o    o o o o o
          o o o o o    o o o o o
          o o o o o    o o o o o
          o o o o o    o o o o o
          o o o o o    o o o o

Wenn man den Aufbau des Dezimalsystems anschaulich verstanden hat, so kann man (nach etwas Übung und sicher unter Zuhilfenahme des Kurzzeitgedächtnisses) erkennen, dass es 99 Münzen sind, und zwar mit einer Gewissheit, die man durch Zählen gar nicht erreichen kann. Während man sich bei dieser Methode des Faktums, dass es 99 Münzen sind, als Ganzes gleichzeitig bewusst wird, so ist man sich beim Zählen nur jeweils eines kleinen Ausschnitts (z.B. des Schritts von 72 zu 73) bewusst.

Das Prinzip eines formalen Beweises ist dasselbe, wie das Prinzip des Zählens, wobei jedoch die einzelnen Schritte nicht immer ganz so zuverlässig sind, vor allem wenn komplexe Begriffe mit im Spiel sind.


1991

Raum und Zeit

Das Raum-Zeit-Problem ist eines der wesentlichsten philosophischen Probleme. Die vorgetragenen Lösungen sind so unterschiedlich wie die Denkweisen von denen, die sich mit diesem Problem beschäftigt haben. Das Raum-Zeit-Kontinuum der Relativitätstheorie hat das Problem nur noch verkompliziert. Vertreter der Quantenmechanik vermuten sogar, dass im mikrophysikalischen Bereich nicht mehr sinnvoll von Raum und Zeit gesprochen werden kann. Man liest, dass geometrische Räume, die ganz anderen Gesetzen gehorchen, unserem Anschauungsraum gleichberechtigt, diesem in Bezug auf Allgemeinheit ja sogar überlegen seien. Man diskutiert über eine Umkehrbarkeit der Zeit oder darüber, ob es eine imaginäre Zeit gibt, d.h. eine Zeit, die sich durch imaginäre Zahlen ausdrücken lässt.

Um in dieser Problematik einen wesentlichen Schritt weiter zu kommen, müssen wir zu einer klaren, uns bewussten, Unterscheidung gelangen zwischen:

1.      einem idealisierten Raum und einer idealisierten Zeit als Ordnungsvoraussetzungen oder Anschauungsformen unserer Wahrnehmungen und Vorstellungen

2.      dem physikalischen Raum und der physikalischen Zeit

Es lässt sich z.B. nur auf der Grundlage einer idealisierten Zeit widerspruchsfrei über Anfang oder Ende einer (z.B. der physikalischen) Zeit sprechen oder nur auf der Grundlage einer idealisierten, ungekrümmten Raumvorstellung sinnvoll über eine Krümmung eines (z.B. des physikalischen) Raumes.

Die Berechtigung für die Setzung dieser idealisierten Anschauungsformen liegt im Prinzip nur darin, dass sie für das Ordnen unserer Wahrnehmungen und Vorstellungen bewusste oder unbewusste Voraussetzungen sind. Wenn sich zudem herausstellen sollte, dass die Eigenschaften, die wir so einem Raum und so einer Zeit bei optimaler Funktionalität zuweisen müssen, nicht beliebig gewählt werden können sondern durch das Ziel nach optimaler Funktionalität schon bestimmt sind, so wären wir wieder bei apriori gegebenen Erkenntnisvoraussetzungen angelangt.


1993

Erkenntnisse ausserhalb ihres Anwendungsbereichs anwenden

Wenn sich jemand intensiv mit einer Thematik beschäftigt, so werden dessen Aufmerksamkeit und Wahrnehmungen zwangsläufig stark durch sie beeinflusst, selbst in Bereichen, die in keiner direkten Beziehung zu ihr stehen. Im Weltbild desjenigen spielt diese Thematik eine grössere Rolle als im Weltbild anderer, die sich nicht mit ihr beschäftigen. In der Folge werden oft aus ihr resultierende Konsequenzen oder Erkenntnisse auf Bereiche angewandt, die ausserhalb des Anwendungsbereichs der Thematik liegen.

...

2) Die Physik umfasst den Bereich der Natur auf der untersten Komplexitätsstufe. (Die Komplexität eines Planetensystems ist unvergleichlich kleiner als die eines HIV-Virus). Gerade weil dieser Bereich am kompaktesten (d.h. mit wenigen klaren Beziehungen) geordnet ist, lässt er sich mathematisch am leichtesten beschreiben. Das grosse Ansehen der Mathematik und ihr Erfolg bei der Lösung physikalischer Probleme wie der Himmelsmechanik führten zu einer gewaltigen Überschätzung der mathematisch-physikalischen Methode. Heute glauben viele Physiker, dass alles, auch du und ich, sich prinzipiell als Folge der quantenmechanischen Gleichungen darstellen lässt.

3) Für Psychoanalytiker, die sich intensiv mit vergessenen Erlebnissen beschäftigen die Spuren im Verhalten hinterlassen haben, wird das Bewusste leicht zur Nebensache und das Unbewusste zu Hauptsache. Oder wenn Siegmund Freud die Bedeutung der Sexualität für die Entwicklung eines Menschen erkannte, so übertrieb er es doch sicher mit der Anwendung seiner Erkenntnis. Menschliches Streben, auch das künstlerische und wissenschaftliche, ist für ihn nur noch eine sublimierte Form des Sexualtriebs.

4) Auch die scheinbare Bedeutung des Begriffs Entropie resultiert aus einer unzulässigen Verallgemeinerung. Im 19. Jh. entwickelte sich im Zusammenhang mit der Konstruktion von Wärmekraftmaschinen die Wärmelehre, die u.a. folgendes aussagt: 1) Temperaturunterschiede verschwinden von selbst. 2) Wärmeenergie lässt sich nur bei Temperaturunterschieden in andere Energieformen (z.B. in Bewegung) überführen. Daraus folgt nicht nur die Unmöglichkeit eines sogenannten Perpetuum mobile der zweiten Art, sondern für isolierte Systeme auch etwas, das man als Wärmetod bezeichnet.

Wenn man eine Seite einer quadratischen homogenen Tischplatte auf 0 Grad Celsius kühlt, gleichzeitig die gegenüberliegende auf 100 Grad erhitzt und die Tischplatte sonst von der Umgebung isoliert, so stabilisiert sich folgender Zustand: die Temperatur nimmt auf jeder Geraden, die von der kalten zur warmen Seite führt, linear von 0 auf 100 Grad zu. Isoliert man den Tisch danach ganz von seiner Umgebung, stabilisiert sich auf der ganzen Tischplatte die konstante Temperatur von 50 Grad, womit der Wärmefluss aufhört. Auch wegen der Frustration über die unwiederbringlichen Verluste bei allen Wärmekraftmaschinen wurde die Anwendbarkeit dieses Prinzips, das im uns bekannten Universum höchstens lokal und kurzzeitig realisiert ist, in unzulässiger Weise verallgemeinert. Manche leiten aus ihm sogar den Wärmetod des Universums ab.

Noch unzulässiger wird die Verallgemeinerung, wenn man das Verschwinden von Temperaturunterschieden mit dem Verschwinden von Ordnung gleichsetzt, und (als absurde Antithese zu einer teleologischen Weltsicht) folgert, dass die Natur nach Unordnung strebt.

Konsequente anti-teleologische Denker sind sogar noch einen Schritt weitergegangen. Der Entropiesatz wird zu dem Prinzip, aus dem alles andere abgeleitet wird, so auch das Auftreten komplex geordneter Systeme. Denn je komplexer die Systeme, desto effizienter erzeugen sie Unordnung in ihrer Umgebung. Der Zweck des Menschen besteht darin, geordnete Nahrung in ungeordnete Exkremente und das geordnete Ökosystem in totale Nachatomkriegs-Unordnung zu verwandeln.


1994

Relativ - absolut, subjektiv - objektiv

Bei Gegensatzpaaren wie gross - klein, schön - hässlich ist man sich meist bewusst, dass sie nicht unabhängig von Voraussetzungen sind. Nichts ist absolut gross oder klein. Ein zwei Meter grosser Mann ist in einem Verein der Riesen mit mindestens zwei Meter Körpergrösse ein kleiner Mann. Viele Musikstücke, die heute als schön und melodiös gelten, wurden von den Zeitgenossen der Komponisten als wirr und unästhetisch empfunden.

Bei den Gegensatzpaaren relativ - absolut und subjektiv - objektiv hingegen ist man sich meist nicht bewusst, dass sie genauso von Voraussetzungen abhängen. Sofern solche Voraussetzungen dem Individuum nicht bewusst sind, bezeichne ich sie als Weltbild. In einem Weltbild, indem die Erde das ruhende Zentrum des Universums bildet, erscheint Bewegung als absolute Grösse.

Viele philosophische Streitereien können beigelegt werden, wenn man erkennt, dass Relativität, Absolutheit, Subjektivität und Objektivität nicht in den Dingen selbst, sondern mehr in unserer die Dinge einordnenden Wahrnehmung liegen.

Es wird darüber diskutiert, ob es eine objektive oder nur eine subjektive bzw. intersubjektive Welt gibt. Handelt es sich bei den Glaubensinhalten um subjektive oder objektive Wahrheiten. Als erstes würde man meinen, dass sie nicht objektiv wahr sein können, weil die Glaubensinhalte verschiedener Religionsgemeinschaften zu verschiedenen Zeiten sich oft gegenseitig widersprechen. Andererseits kann man sie aber insofern als objektiv bezeichnen, als sie das Bewusstsein von Individuen über Jahrhunderte geprägt haben. Wer die letzten Tausend Jahre regelmässig im islamischen Kulturkreis geboren wurde und ein religiöses Leben geführt hat, für den haben von Geburt an die islamischen Glaubensinhalte objektiv eine grössere Bedeutung als die der anderen Religionen.


1994

Ordnung

Es erscheint mir sinnvoll, beim Begriff Ordnung apriorische und aposteriorische Ordnung zu unterscheiden. Die Ziffernfolge der Dezimalbruchentwicklung des Verhältnisses von Kreisumfang zu Durchmesser, ein gleichseitiges Sechseck, ein Quadrat oder eine Fläche mit einem sich regelmässig wiederholenden Muster bezeichne ich als apriori geordnet, während eine Landkarte, die Punkte in einem Himmelsatlas oder die Ziffernfolge der Lichtgeschwindigkeit nur als aposteriori geordnet.

Die die Sterne repräsentierenden Punkte einer Himmelskarte werden nur insofern als geordnet bezeichnet, als sie in Beziehung zu einem bestimmten Himmelsausschnitt stehen. Während die Himmelskarte aposteriori geordnet ist, ist die Beziehung von Himmelskarte zu entsprechendem Himmelsausschnitt apriori geordnet.

In der Kunst wird einerseits mit Strukturen gearbeitet, die in der Vergangenheit entstanden sind, die man aber kaum als apriori geordnet bezeichnen kann. Ein Kunstwerk, das primär aus solchen traditionellen Strukturen besteht, wäre demnach primär aposteriori geordnet. Andererseits kommen in der Kunst auch apriorische Ordnungsprinzipien wie Wiederholungen, Symmetrien u.Ä. vor. In der Musik betont die reine Zwölftonmusik den Aspekt der apriorischen Ordnung.

Auch hier liegt apriorische oder aposteriorische Ordnung nicht in den Dingen selbst, sondern in unserer Betrachtung, d.h. sie hängt von unserem entsprechenden Weltbild ab. Was dem Astronomen am Himmel als zufällig erscheint, kann dem Astrologen durchaus als apriori geordnet erscheinen.

So lässt sich jede Zahl oder Ziffernfolge endlicher Länge irgendwie als (apriori) geordnet darstellen. Die Ziffernfolge 314159 werden die meisten als nicht zufällig bezeichnen, da es sich um die ersten sechs Ziffern der Dezimalbruchentwicklung der Zahl Pi handelt. Dieselbe Ziffernfolge lässt sich aber auch auf unzählige andere Weisen als geordnet bezeichnen.

In derselben Weise lässt sich für jede Kette von Ereignissen ein Rahmen aufstellen, in dem die Kette als nicht zufällig sondern geordnet erscheint.


1994

Reinkarnierende Evolutionstheorie

Die Erkenntnis, dass die Natur nicht so erschaffen wurde, wie sie sich uns heute zeigt, sondern dass sie ihre Komplexität einer mehr oder weniger kontinuierlichen Entwicklung zu verdanken hat, dürfte heute nur noch von einer Minderheit bezweifelt werden. Die totale Ablehnung dieser Erkenntnis ist meist religiös motiviert. Es kann keinen strengen Beweis geben, dass die Welt nicht z.B. vor 6006 Jahren erschaffen wurde, denn die Welt könnte zu jenem Zeitpunkt mit all den Indizien, die uns an eine Entwicklung glauben lassen, erschaffen worden sein.

Die kontinuierliche Entwicklung der Natur und des Lebens werde ich im Folgenden mit Evolution bezeichnen. Dass sie immer noch in Zweifel gezogen wird, hängt auch mit dem Begriff Evolutionstheorie zusammen. Dieser steht erstens für eben diese Evolution und zweitens für den Darwinismus (in verschiedenen Varianten):

1.      Die Evolution selbst wird durch Resultate von empirischen Wissenschaften wie Archäologie, vergleichende Anatomie, Genetik u.a. nahegelegt. Wenn man nicht alles im Wissenschaftsbetrieb radikal in Frage stellen will, so muss man akzeptieren, dass das Alter von Arten umso jünger ist, je komplexer sie sind, und dass komplexere Arten erst auftraten, wenn ähnliche bereits existierten.

2.      Der Darwinismus ist eine Theorie, die die Evolution als gegeben annimmt, und sie durch zufällige Mutationen mit anschliessender Selektion zu erklären sucht. Genauer: Es gibt physikalische bzw. bio-chemische Gesetze, die so beschaffen sind, dass zufälligerweise komplexe organische Moleküle entstehen können, welche nicht nur (zumindest während bestimmten Zeiträumen) stabil sind sondern sich sogar vermehren. Rein zufällig entstehen so immer komplexere sich vermehrende Gebilde, über die hochkomplexe lebende Zelle bis hin zum Menschen. Alles Teleologische (Zweckorientierte, Zielgerichtete, nach Ordnung Strebende) wird vom Darwinismus als unwissenschaftlich abgelehnt. Individuelles Bewusstsein von Mensch und Tier wird ausgeklammert.

Viele Argumente gegen die Evolutionstheorie richten sich nicht gegen die Evolution sondern nur gegen den Darwinismus. Eine klare Unterscheidung von Evolution und Darwinismus ist daher sinnvoll. Das wichtigste Argument gegen die Evolution ist das Fehlen von Ausgrabungen von vielen Zwischenformen, die existiert haben müssen, wenn jede Art und aus einer anderen hervorging. Es ist aber durchaus nicht selbstverständlich, dass man Spuren von allen Lebewesen findet, die je gelebt haben.

Die Entwicklung von technischen Geräten wie Motorfahrzeugen oder Computer zeigt folgendes: Erst nachdem sich ein Entwicklungszustand stabilisiert hat, beginnt die Massenproduktion. Die Wahrscheinlichkeit, dass für eine ferne Zukunft Spuren von ausgereiften Motorfahrzeugen bleiben, ist unvergleichlich höher als von Fahrzeugen, die auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung aus primitiveren Fahrzeugen schliessen lassen. Die in der Evolution als Zwischenformen bezeichneten Entwicklungsstufen waren zwangsläufig labil. Denn sonst würden wir sie als ausgestorbene Arten bezeichnen.

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Für viele Erkenntnisse, auch für solche, die früher heiss umstritten waren, gibt es keine Theorie im eigentlichen Sinne. So brauchen wir keine Theorie, die uns sagt, dass die Geburt eines Kindes eine Zeugung neun Monate vorher voraussetzt oder dass Sonne, Mond und Erde kugelförmig sind.

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Meiner Meinung nach haben wir auch das Recht und die Pflicht, anzuerkennen dass die Natur (mindestens in unserem Planetensystem) im Menschen als jüngster Gattung bisher ihre höchste Komplexität erreicht hat. Die Komplexität eines primitiven Organismus ist schon unvergleichlich höher als die einer ganzen Galaxie, in der keine biologische Evolution stattgefunden hat.

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Oft wird versucht, Lebewesen mit Maschinen zu vergleichen und im speziellen die menschliche Denkfähigkeit mit der Leistung von Computern. Die konsequente Anwendung dieses Gedankens führt zwangsläufig zu: man muss Computern, Taschenrechnern und anderen Geräten wie Radios Bewusstsein zusprechen.

Vielleicht wunderst du dich, dass der Vergleich Mensch-Maschine trotzdem so oft vorgebracht wird. Der Grund ist: Wenn man beseelende Kräfte aus quasi-religiösen Gründen als mögliche Erklärung apriori ausschliesst, so bleibt keine vernünftigere Alternative. Dass am reduktionistischen Erklärungsmodell trotz offensichtlicher Unsinnigkeit bzw. Widersprüchlichkeit festgehalten wird, ist nicht erstaunlich. Die Menschen hatten zu allen Zeiten das Bestreben, das eigene Weltbild, ob durch Religion oder anderswie geprägt, trotz innerer Widersprüche zu bewahren. Menschen, die Widersprüche oder unsinnige Folgerungen dieses Weltbilds aufzeigten, wurden oft diffamiert, mit Schreibverbot belegt oder auf weniger sanfte Weise zum Schweigen gebracht.

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Ich werde aufzeigen, dass kausale Gesetze von Physik und Chemie nicht ausreichen, die Entstehung und Evolution lebender Organismen noch ihr Funktionieren zu erklären. Wenn man die Wahrscheinlichkeit für das zufällige Auftreten und Zerfallen geordneter Strukturen realistisch betrachtet, ist man gezwungen, zur Erklärung der Natur auch finale Gesetze anzunehmen und zudem nicht-materielle Einheiten einzuführen, die einer Evolution unterliegen. Diese nicht-materiellen Einheiten, die ich Psychonen nenne, sind Voraussetzung für jedes Leben. Individuelles Bewusstsein, von primitivsten Formen bis hin zum menschlichen Selbstbewusstsein, ist immer an genau ein Psychon gebunden.

Die weiteren Haupteigenschaften von Psychonen sind:

1) Sie können mit Materie in Verbindung treten und deren zufälliges (d.h. durch kausal-mechanistische Gesetze nicht determiniertes) Verhalten beeinflussen.

2) Sie besitzen ein nicht-materielles Gedächtnis.

3) Sie können zufälliges Verhalten auch von Materie, mit der sie nicht direkt in Verbindung stehen, oder von anderen Psychonen (meist zum eigenen Vorteil) beeinflussen.

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Die Erkenntnis dieser Schrift steht zum aktuellen wissenschaftlichen Weltbild in noch stärkerem Gegensatz als die Evolutionstheorien von Lamarck und Darwin zum damaligen: Psychonen liegen ausserhalb der materiell-energetisch argumentierenden Theorien; trotzdem beeinflussen sie das materiell-energetische Geschehen, und zwar gerade in seinen wesentlichsten Manifestationen; das kausal-mechanistische Erklärungsmodell wird radikal widerlegt.

In dieser Hinsicht könnte man die Erkenntnis dieser Schrift mit der Erkenntnis der Kugelgestalt der Erde vergleichen. Es mag heute erstaunen, wie sehr sich Menschen dagegen gewehrt haben. Neben der Schwierigkeit und dem Unwillen, vorgefasste Meinungen zu ändern, gab es folgendes psychologische Problem: die Vorstellung von oben-unten als einer absoluten Naturordnung wurde zerstört; diese war als unbewusste Voraussetzung des Denkens tief im menschlichen Bewusstsein verwurzelt.

Diejenigen, die die Erkenntnis schliesslich akzeptiert hatten, wurden später ein zweites Mal vor dasselbe psychologische Problem gestellt, als die Erde in unserem Weltbild aus dem räumlichen Zentrum der Welt vertrieben wurde. Die Vorstellung von oben-unten hatte sich inzwischen modifiziert, wurde aber immer noch absolut gesehen: unten bedeutete die Richtung zum Zentrum hin und oben die vom Zentrum weg. Heute gilt oben-unten als ein Ordnungsprinzip, das nur relativ zu einem Himmelskörper einen Sinn ergibt.

Mit der Erkenntnis, dass die Erde nicht im Zentrum der Welt steht, wurde das Zu-Boden-fallen der Körper zum Problem. Mathematisch lässt sich das Verhalten recht einfach beschreiben: alle Körper (besser: alle seine Teile) beschleunigen alle anderen zu sich, und zwar proportional zur eigenen Masse und umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands des angezogenen Körpers. So beschleunigt die Erde den Mond und der Mond die Erde. In der heutigen offiziellen Physik wird als Ursache dieser Beschleunigung ein sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitendes Kraftfeld angenommen. Spätestens seit die Quantenmechanik dieses Kraftfeld in Gravitonen zerlegt hat, zeigt sich der mechanistische beinahe schon neo-animistische Charakter der offiziellen Physik. Der Apfel fällt nur deshalb zu Boden, weil lichtschnelle Teilchen (die Gravitonen) ihn herunterholen.

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Die Trennung zwischen Theologie (im weitesten Sinne) und Wissenschaften sollte überwunden werden können.


1995

Einstein scheint der erste und lange Zeit einer von wenigen gewesen zu sein, der von den Photonen überzeugt war. Als Experimente die letzten Zweifel an ihrer Existenz beseitigten, versuchten die Begründer der Quantenmechanik so viel als möglich von ihren bisher vertretenen Positionen zu retten, indem sie sich in undurchsichtige Formalismen flüchteten. Sie proklamierten dogmatisch eine neue Physik, die sich primär dadurch auszeichnet, dass der Versuch einer echten Lösung logischer Widersprüche aufgegeben wird.

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Zur Veranschaulichung stelle man sich als Teilchen einen nicht direkt lokalisierbaren Fisch, als Messgerät einen Angelhaken und als Ausdehnung den Bereich vor, in dem der Fisch mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit anbeisst.


1996

Das Genom besteht aus Milliarden Basenpaaren. Die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Generation an mehreren Stellen des Genoms Mutationen auftreten, die die Federpracht beeinflussen, ist vernachlässigbar klein. Genauso unwahrscheinlich ist eine komplexe Mutation, die mehrere benachbarte Basenpaare verändert. Zudem ist eine Mutation, die die Federpracht vergrössert, nicht wahrscheinlicher, wie eine, die sie verkleinert. Wenn die DNA die ganze Information eines Tieres, von den Stoffwechselvorgängen der verschiedenen Zellen angefangen bis hin zum Verhalten, beinhaltet, gibt es tausende andere und z.T. viel wichtigere Eigenschaften, die gleichzeitig mit der Federpracht der Selektion unterliegen.

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Die Aussage 'ein Mensch ist tot' bezieht sich in erster Linie auf das dominierende Psychon. Nach dem Tod des Menschen lebt der Körper weiter. Nach und nach sterben Zellen. Trotz Zelltod können Zellteile noch einige Zeit weiterleben.

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Menschliche und tierische Seelen dürften vor langer Zeit einmal Vorläufer von Neuronenzellen beseelt haben, die durch Spezialisierung bei der Kooperation von Zellen entstanden. Bei der Kooperation einer Gruppe solcher Neuronenzellen übernahm ein Psychon mehr und mehr neben der Koordinierung der eigenen Zelle auch die Koordinierung der Gruppe.


1996

Verneinung

Es lassen sich viele Aussagen formulieren, die weder bejaht noch verneint werden können. Jede Verneinung einer Aussage (z.B. "sie betrügt immer noch") ist die Bejahung der entsprechenden kontradiktorischen Aussage ("sie betrügt nicht mehr"). Ein ehrlicher Mensch kann in einem Verhör nicht jede Frage entweder bejahen oder verneinen. Zudem ist möglich, dass er die Frage nicht versteht oder nicht in der Lage oder gewillt ist, sie zu beantworten.

Die Verneinung der Logik ist die kontradiktorische ("nein"). Daneben gibt es noch die konträre Verneinung ("nein, im Gegenteil"). Eine wesentliche Eigenschaft der kontradiktorischen und der konträren Verneinung ist: die Verneinung einer Verneinung ist Bejahung. Die kontradiktorische Verneinung ist allgemeiner als die konträre. Wo eine konträre Verneinung richtig ist, ist immer auch die entsprechende kontradiktorische richtig, aber nicht umgekehrt.

Wenn gefordert wird, dass ausnahmslos jede Frage bejahbar oder verneinbar sein muss, muss eine dritte Verneinung eingeführt werden, die schwache Verneinung heissen soll. Die schwache Verneinung ist allgemeiner als die kontradiktorische und drückt nur die (aus welchem Grund auch immer) fehlende Bejahung aus. Somit kann auch jede richtige Aussage schwach verneint werden, das Widerspruchsprinzip der Logik gilt nicht und die Verneinung einer Verneinung führt zu keiner Bejahung. Die schwache Verneinung ist allgemeiner als die zwei anderen. In der Logik scheint sie nur deshalb nicht auf, weil es keinen Begriff dafür gibt.

Die Logik geht davon aus, dass alle Aussagen in zwei Klassen (die der richtigen und die der falschen Aussagen) eingeteilt werden können. Aus der logischen Implikation A → B folgt, dass B richtig ist, wenn A richtig ist. Ist A aber falsch, folgt für B nur, dass es nicht (auf diesem Weg) als richtig abgeleitet werden kann. Man kann dann von B weder wahr noch falsch aussagen. Obwohl man von nur zwei Klassen ausgegangen ist, hat man faktisch (mindestens) eine dritte, nämlich die der Aussagen, die aufgrund der gegebenen Prämissen und Implikationen weder als richtig noch als falsch bezeichnet werden können.

Bei auf der logischen Implikation basierenden Expertensystemen ist eine Verneinung im Allgemeinen die schwache Verneinung: die Aussage, nach der gefragt wird, kann von der vorhandenen Datenbasis nicht als richtig abgeleitet werden, sie kann aber trotzdem richtig sein. Eine Logik, die auf der schwachen Verneinung basiert, ist fundamentaler und einheitlicher als die Aristotelische Logik. Zwar ist in ihr das für das wissenschaftliche Denken so wichtige (aber schwierig handzuhabende) Widerspruchsprinzip nicht enthalten, dafür wird das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten auch faktisch eingehalten. Unsinnige, syntaktisch unkorrekte oder paradox rückbezügliche Aussagen gehören eindeutig in die Klasse der schwach-verneinten Aussagen und bilden keine zusätzliche Klasse, die faktisch vorhanden, deren Existenz aber nicht eingestanden wird. Eine Argumentation, wie sie dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz zugrunde liegt, ist somit nicht möglich.

Die Verneinung natürlicher Sprachen ist meist ein diffuses Gemisch dieser drei Verneinungstypen. Einerseits verneint sie stärker als die schwache Verneinung, aber andererseits dient oder diente eine doppelte Verneinung oft der Verstärkung und nicht der Aufhebung der Verneinung. Eine Plansprache sollte alle drei Verneinungen zur Verfügung stellen. Um eine korrekte Anwendung der Sprache so einfach als möglich zu machen, muss von einer Verneinung ausgegangen werden, die noch nicht nach den drei Varianten unterscheidet. Wenn diese Verneinung durch 'nei' ausgedrückt wird, könnte man die schwache durch 'neis', die kontradiktorische durch 'nein' und die konträre durch 'neig' ausdrücken. Somit wird ein richtiger Satz zwar weniger präzis, bleibt aber richtig, wenn 'neis', nein' oder 'neig' durch 'nei' ersetzt wird. Für Menschen, denen diese Unterschiede in der Verneinung nicht geläufig sind, sind 'nei', 'neis', 'nein' und 'neig' Synonyme, von denen sie selber aber nur die erste Variante aktiv verwenden dürfen.


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