Warum die Lorentz-Transformations-Gleichungen das Michelson-Morley-Experiment von 1887 nicht erklären können

Es wird allgemein angenommen, dass Albert Einstein 1905 mit der Veröffentlichung der speziellen Relativitätstheorie das durch das Michelson-Morley-Experiment 1887 aufgeworfene Problem der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (relativ zur Erde) gelöst hat. Dieser Glaube hält sich aufrecht, obwohl die spezielle Relativitätstheorie im Prinzip nur für Inertialsysteme gültig ist, und es sich bei der Bewegung der Erde um die Sonne in keiner Weise um ein solches Inertialsystem handelt. Es wird argumentiert, dass die Umlaufbewegung der Erde für jede infinitesimal kurze Zeitdauer ein entsprechendes Inertialsystem darstellt, für das die Lorentz-Transformations-Gleichungen (LTG) eine Konstanz der Lichtgeschwindigkeit erklären können. Was beim (fliessenden) Übergang von einem Inertialsystem zum nächsten passiert, wird offen gelassen. So übernimmt man mit Freuden die Konsequenz der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, aber das Nicht-Auftreten anderer Eigenschaften der LTG (wie Aufhebung der Gleichzeitigkeit und relative Zeitverlangsamung, die zu klaren Widersprüchen führen würden, wird diesem Inertialsystem-Wechsel zugeschrieben.

Im Folgenden wird versucht aufzuzeigen, warum die LTG nicht erklären können, dass die Lichtgeschwindigkeit auf der Erde in alle Richtungen im messbaren Bereich konstant ist. Es wird dabei ausschliesslich mit der Aufhebung der Gleichzeitigkeit (der Zeitverschiebung in Abhängigkeit des Ortes) operiert. Diese ist bei kleinen Geschwindigkeiten ein Effekt erster Ordnung, während Zeitverlangsamung und Längenverkürzung nur Effekte zweiter Ordnung sind.

Um das Gedankenexperiment möglichst überschaubar zu machen, denke man sich die Umlaufbahn der Erde, die etwa 940 Mio. km lang ist, durch eine kreisförmige Bahn ersetzt, auf der man neben der Erde 3130 künstliche Satelliten anbringt, wobei der Abstand zwischen zwei benachbarten Objekten jeweils 1 Lichtsekunde (also ca. 300 000 km) beträgt. Die Umlaufgeschwindigkeit all dieser Satelliten beläuft sich auf ein Zehntausendstel der Lichtgeschwindigkeit, also 0.0001 c, was ungefähr 30 km/s sind und der wirklichen Umlaufgeschwindigkeit der Erde entspricht. Es wird verlangt, dass bei den Abständen und Umlaufgeschwindigkeiten die relativen Ungenauigkeiten jeweils unter l0-8 liegen. Eine Zeitverlangsamung aufgrund verschiedener Gravitationspotentiale wird ausgeklammert.

Die Lorentz-Transformations-Gleichungen, die erklären sollen, dass die Lichtgeschwindigkeit sowohl für die Sonne (System S) als auch für jeden Satelliten (System S') identisch sein kann, nehmen für eine relative Geschwindigkeit von 0.0001 c folgende Differenzen-Form an,

 
   Dx' = Faktor [Dx - 0.0001 c Dt]    [1a]
   Dt' = Faktor [Dt - 0.0001/c Dx]    [1b]
   Dx  = Faktor [Dx'+ 0.0001 c Dt']   [2a] 
   Dt  = Faktor [Dt'+ 0.0001/c Dx']   [2b]

wobei

   Faktor = 1/√[1-v2/c2] = 1/√[1 - 0.00012] = 1.000'000'005

Während die Zeitverschiebung in Abhängigkeit des Ortes (siehe [1b] und [2b]) 10-4 beträgt, ist der Effekt des Faktors kleiner als 10-8, liegt also im Bereich der Ungenauigkeiten der Abstände und Geschwindigkeiten der Satelliten. Dieser Korrekturfaktor, der für die mathematische Widerspruchsfreiheit der LTG unumgänglich ist, kann im Weiteren vernachlässigt werden. Die Gleichungen nehmen somit folgende überschaubare Form an:

   Dx' = [Dx - 0.0001 c Dt]     [4a]
   Dt' = [Dt - 0.0001/c Dx]     [4b]
   Dx  = [Dx'+ 0.0001 c Dt']    [5a] 
   Dt  = [Dt'+ 0.0001/c Dx']    [5b]

Da es bei allen weiteren Überlegung nur um die Zeitverschiebung geht und es sich bei dieser um einen Effekt erster Ordnung handelt, spielt es absolut keine Rolle, auf welches der beteiligten Systeme man Längen- und Zeitintervallmessungen bezieht. Die Unterschiede sind nur Effekte zweiter Ordnung und liegen damit im Bereich der übrigen Ungenauigkeiten. Natürlich drängt sich das mit der Sonne verbundene System als das bevorzugteste auf.

Alle Satelliten auf der idealisierten Erdumlaufbahn haben den identischen Abstand von der Sonne. Ihre Uhren lassen sich somit von der Sonne her exakt synchronisieren. Prinzipiell muss die Zeit auf allen Satelliten gleich verlaufen, denn sie sind einander äquivalent. Zeigen die Satellitenuhren zu einem Zeitpunkt (bezogen auf das System der Sonne) die gleiche Zeit an, so werden sie auch zu jedem späteren Zeitpunkt exakt die gleiche Zeit anzeigen. Die so für alle Satelliten definierte Zeit wird im Weiteren als globale Zeit bezeichnet. Diese stimmt (mindestens) bis auf den Faktor mit der Zeit des mit der Sonne verbundenen Inertialsystems S überein. Im Folgenden muss zwischen diesen zwei Zeiten also nicht unterschieden werden.

Jetzt kann man folgendes Experiment durchführen: Von der Erde aus schickt man einen gebündelten Lichtblitz in oder gegen Umlaufrichtung um die ganze Erdbahn herum. Der Lichtstrahl wird von jedem Satelliten zum nächstfolgenden abgelenkt. Da alle Satelliten mit synchronisierten Uhren (globale Zeit) ausgestattet sind, lässt sich der zeitliche Verlauf der Ausbreitung exakt festhalten.

Zwei benachbarte Satelliten bewegen sich praktisch in die gleiche Richtung. Die Winkeldifferenz beläuft sich auf einen 3131-sten Teil des Vollkreises und ist für die nachfolgenden Überlegungen vernachlässigbar klein. Bezieht sich die Lichtgeschwindigkeit des gebündelten Strahls auf die Sonne, so beträgt die Ausbreitungsdauer von einem Satelliten zum nächsten in erster Näherung 1.0001 Sekunden. Der Abstand zwischen zwei Satelliten macht zwar jeweils nur 1 Lichtsekunde aus, aber während der Lichtstrahl nach 1 Sekunde die Stelle des nächsten Satelliten erreicht hat, hat sich dieser um 0.0001 Lichtsekunden weiterbewegt..

Unter der Voraussetzung, dass sich die Lichtgeschwindigkeit auf die Sonne bezieht und der Lichtblitz um 0:00:00.0000 von der Erde in Umlaufrichtung ausgesandt wird, ergibt sich folgende Tabelle:

   ORT         GLOBALE ZEIT  ZURÜCKGELEGTER WEG  MAX.ABWEICHUNG
   ------------------------------------------------------------
   Sat. Erde   0:00:00.0000
   Sat. 1      0:00:01.0001      1.000l LS       10-7 Sek bzw LS
   Sat. 2      0:00:02.0002      2.0002 LS       10-7 Sek bzw LS
   ...
   Sat. 3130   0:52:10.3130   3130.3130 LS       10-4 Sek bzw LS
   Sat. Erde   0:52:11.3131   3131.3131 LS       10-4 Sek bzw LS

wird der Lichtblitz in die entgegengesetzte Richtung um die Erdbahn geschickt, so ergibt sich:

   ORT         GLOBALE ZEIT  ZURÜCKGELEGTER WEG  MAX.ABWEICHUNG
   ------------------------------------------------------------
   Sat. Erde   0:00:00.0000
   Sat. 1      0:00:00.9999      0.9999 LS       10-7 Sek bzw LS
   ...
   Sat. 3130   0:52:09.6870   3129.6870 LS       10-4 Sek bzw LS
   Sat. Erde   0:52:10.6869   3130.6869 LS       10-4 Sek bzw LS

Die unterschiedlichen Umlaufszeiten und -wege gehen darauf zurück, dass die Erde inzwischen 0.3131 ± 10-4 LS weitergewandert ist.

An den bisherigen Ausführungen kann wohl kaum Zweifel geübt werden. Wie sieht es aber mit der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit für Beobachter auf den Satelliten aus. Da der Abstand von zwei nebeneinander liegenden Satelliten eine Lichtsekunde beträgt und sich jene praktisch in die gleiche Richtung bewegen, muss gemäss der speziellen Relativitätstheorie die Übertragungszeit von elektromagnetischen Wellen in beiden Richtungen auch für die Satellitenbeobachter 1 ± l0-7 Sekunden betragen. Nimmt man aber die von der Sonne aus synchronisierten Uhren als Zeitreferenz (globale Zeit), so benötigt ein Lichtstrahl von einem Satelliten zum nächst-vorderen 1.0001 ± l0-7 und zum nächst-hinteren 0.9999 ± l0-7 Sekunden, obwohl es sich in beiden Fällen um dieselbe Streckenlänge (relative Abweichung kleiner 10-7) handelt. Man kann daraus nur die Schlussfolgerung ziehen, dass die globale Zeit für die Satelliten nicht gültig sein kann. Es muss für jeden Satelliten eine lokale Zeit geben, die von der globalen abweicht.

Die spezielle Relativitätstheorie definiert den Begriff der Gleichzeitigkeit 'empirisch-operativ' mit Hilfe von Lichtstrahlen unter der Annahme der Konstanz von c für alle Beobachter. Wird vom Satelliten S.n zur globalen Zeit t ein Signal in alle Richtungen ausgesandt, so kommt es bei S.n+1 zur globalen Zeit t + 1.0001 und bei S.n-1 zur globalen Zeit t + 0.9999 an. Da beide Strecken gleich lang sind und das Signal dafür je 1.0000 Sekunden braucht, muss für S.n folgendes gleichzeitig sein, wobei die Zeitangaben auf die globale Zeit Bezug nehmen (zum selben Ergebnis führt natürlich auch Gleichung [4b]):

 
   Satellit.n-1 :   t + 0.9999 +- 10-7 sek
   Satellit.n   :   t + 1.0000 +- 10-7 sek
   Satellit.n+1 :   t + 1.0001 +- 10-7 sek

Hier kommt man zu einem Widerspruch, wenn die drei Satelliten 'gleichzeitig' je ein Signal in Richtung Sonnenmittelpunkt senden, das von dort zum mittleren Satelliten reflektiert wird. Denn obwohl alle drei Signale 'gleichzeitig' gesendet wenden und zudem exakt die gleiche Streckenlänge (2 mal den Abstand zur Sonne) durchlaufen, werden sie zu drei verschiedenen Zeiten von S.n empfangen, wobei die Zeitdifferenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Signalankünften je 0.0001 +10-7 Sekunden beträgt. Dies steht in klarem Gegensatz zur Konstanz der Lichtgeschwindigkeit für diesen mittleren Satelliten.

Es ist interessant zu untersuchen, wie die Gleichungen [4a, 4b] die Lichtgeschwindigkeit des mit der Sonne verbundenen Inertialsystems in die identische Lichtgeschwindigkeit für je zwei nebeneinander liegende Satelliten transformieren. Dass es sich auch im Folgenden jeweils nur um die erste Näherung handelt, wird nicht mehr speziell gekennzeichnet. Betrachten wir den Fall, dass alle Satelliten zur globalen Zeit t einen Lichtblitz zum nächst-vorderen Satelliten schicken. Bezeichnet man die von einem Lichtstrahl zwischen S.n und S.n+1 zurücklegte Strecke mit Dx und die dazu benötigte (globale) Zeit mit Dt, so gilt:

   Dx = 1.0001 LS
   Dt = 1.0001 Sek

Zwei benachbarte Satelliten bewegen sich mit 0,0001 c praktisch in die gleiche Richtung und können deshalb durch ein Inertialsystem S' approximiert werden. Durch Einsetzen in Gleichung [4a] ergibt sich:

   Dx' = Dx - 0.0001 c ∙ Dt = 1 LS   [6a]

Dieses Resultat war zu erwarten, denn für die Satellitenbeobachter hat das Licht nicht mehr als den effektiven Abstand zwischen den beiden Satelliten zurückgelegt. Klassisch gerechnet (globale Zeit) ergibt sich für die Satelliten folgende Lichtgeschwindigkeit:

   Lichtgeschwindigkeit = Dx'/Dt = 0.9999 c

Damit die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit auch im System S' garantiert werden kann, muss die Zeit in gleicher Weise in Abhängigkeit des Ortes wie der Ort in Abhängigkeit der Zeit transformiert werden:

   Dt' = Dt - 0.0001/c ∙ Dx = 1 Sek   [6b]

Gemessen an der globalen Zeit, geht die lokale Zeit des Satelliten S.n der lokalen Zeit von S.n+1 um 0.0001 Sekunden (0.0001/c ∙ Dx) vor. Dieser Zusammenhang gilt zwischen der Erde und S.1, zwischen S.1 und S.2, S.2 und S.3, ... , S.3129 und S.3130 und wiederum zwischen S.3130 und der Erde. Da jedes Mal dieselbe globale Zeit als Referenz dient, kommt es zur Transitivität dieser Eigenschaft. Es ergibt sich somit, dass die lokale Zeit auf der Erde 0.3131 Sekunden derselben lokalen Zeit vorgehen müsste. Damit ist der Beweis erbracht, dass die Lichtgeschwindigkeit nicht für alle Beobachter konstant sein kann, wie es von der speziellen Relativitätstheorie gefordert wird.


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