Euler vs. Newton (bezüglich Kraft und Impuls)
Original der Diskussion: https://groups.google.com/forum/#!topic/de.sci.physik/LjAYgrkMoH4
Euler vs. Newton? – 2005-04-14
In "zwei wirkliche Kerle", Termessos, 2005 schreibt Daniela Wuensch:
Im
Zusammenhang mit der Einstein-Hilbert Prioritätsfrage wäre es
vielleicht nützlich, uns an einen ähnlichen Fall bezogen auf
Newtons Principia mathematica zu erinnern, der helfen könnte, das
Unbehagen, das bei manchen Historikern und Physikern bei dem
Gedanken aufkommt, dass nicht Einstein, sondern Hilbert der erste
war, der die Gravitationsgleichungen aufgestellt hat, zu überwinden.
... Newtons berühmtes zweites Gesetz der Dynamik, das wir heute
durch die Gleichnung
K = m a
ausdrücken,
wurde von Newton in den Principia (1687) unvollständig
formuliert, als
K
= Delta ( m v )
"Die Änderung der Bewegung (motus) ist der eingeprägten Kraft
proportional und ..."
Dies führte Dijksterhuis zu dieser
Schlussfolgerung: "so zeigt sich,
dass sie [Newtons Principia] die wichtigste Grundlage für die
klassische Mechanik keineswegs enthält."
...
Dieses zweite Gesetz aus der Newtonschen Dynamik wurde erst
1752 in der uns heute bekannten mathematischen Form von Leonhard
Euler (1707-1783) formuliert. ...
Inwiefern
soll Newtons Version "Kraft ist Impulsänderung" denn weniger
vollständig als Eulers "Kraft ist Masse mal Beschleunigung" sein?
Dass die Masse unveränderlich ist, dürften doch sowohl Newton als auch
Euler (implizit) angenommen haben.
Zudem steht Newtons Version in Einklang mit einer Geschwindigkeits-
abhängigen Massenzunahme, und ist somit in gewisser Hinsicht sogar
fundamentaler als Eulers Version.
( Die Vertreter der heutigen offiziellen Physik widerlegen zwar auch
die Gültigkeit der Newton'schen Version im relativistischen Fall
dadurch, dass sie 'Masse' als 'Ruhemasse' definieren. Aber dieser
revisionistische Ansatz, Einsteins konsequente Masse-Energie-
Äquivalenz zu leugnen, steht in offensichtlichem Widerlegung zur
Erhaltung der Bewegung des Massenschwerpunkts.
Man sieht es leicht an folgendem Beispiel: Ein Atom ruhe im Zentrum
eines Inertialsystems. Zum Zeitpunkt T finde die Emission eines
Photons statt. Bothe & Geiger ("Experimentelles zur Theorie von
Bohr,
Kramers und Slater") haben 1925 die Gültigkeit von Impulserhaltung
in solchen Fällen gezeigt (und Einstein damals einen Triumph über
Bohr beschert).
Impulserhaltung führt offensichtlich dazu, dass das Atom nach der
Emission nicht weiter im Zentrum ruhen kann und dass, wenn wir
dem Photon Masselosigkeit zusprechen, sich der Massenschwerpunkt
bzw. dessen Inertialbewegung ändert. )
Euler vs. Newton? – 2005-04-16
>>
= Wolfgang G. Gasser
> = Norbert Dragon
>> ( Die Vertreter der heutigen offiziellen Physik widerlegen zwar auch
>> die Gültigkeit der Newton'schen Version im
relativistischen Fall
>> dadurch, dass sie 'Masse' als 'Ruhemasse' definieren. Aber
dieser
>> revisionistische Ansatz, Einsteins konsequente
Masse-Energie-
>> Äquivalenz zu leugnen, steht in offensichtlichem
Widerspruch zur
>> Erhaltung der Bewegung des Massenschwerpunkts.
>
> Das ist falsch formuliert und falsch.
Bezogen auf meinen ersten Satz ist das richtig oder falsch, je nachdem,
ob man als Newton'sche Version die im Buch so präsentierte Formel
K = Delta ( m v )
(wobei dort anstatt 'Delta' der griechische Grossbuchstabe steht) oder
meine dazu nicht in allen Fällen äquivalente Formulierung "Kraft ist
Impulsänderung" im Auge hat. Wir sind uns einig, dass
K = dp = d(m v) = m dv + v dm
rein mathematisch gilt. Wenn wir aber in
d(m v)
m als unveränderliche Ruhemasse auffassen, dann ergibt sich:
K = dp = d(m v) = m dv + v 0 = m dv
was offensichtlich dem relativistischen Kraftbegriff widerspricht.
Das zugrundeliegende Problem: nicht nur E=mc2 wurde von den
revisionistischen Kräften der Physik abgeschafft bzw. durch etwas
anderes ersetzt*, sondern sogar die noch viel fundamentalere
Definition von "Impuls" als "Masse mal Geschwindigkeit".
Das heisst,
p = m v wurde schlicht und einfach für überholt erklärt.
* Siehe "Plädoyer für die
Masse-Energie-Äquivalenz"
Da das "falsch formuliert und falsch" sich auch noch auf meinen
zweiten Satz beziehen könnte, hier noch ein weiteres Beispiel dafür,
wie fragwürdig die heutige Redefinition der Masse zu "Ruhemasse"
bzw. "invariante Masse" ist:
Ein Proton bewege sich mit beinahe Lichtgeschwindigkeit, einmal mit
Gamma-Faktor 100 und ein zweites mal mit Gamma-Faktor 1000 auf einen
ruhenden Materieklumpen zu. Der Impuls des Protons ist im zweiten
Fall etwa 10 mal grösser als im ersten, die Geschwindigkeit aber
etwa identisch. Wenn man die Ruhemasse für die Berechnung des
Massenschwerpunkts von Proton und Materieklumpen heranzieht, ist
die Bewegung des Massenschwerpunkts somit vor der Kollision in
beiden Fällen praktisch identisch, nach der Kollision aber sehr
verschieden, denn im zweiten Fall wird der etwa 10-fache Impuls auf
den Materieklumpen (zu dem danach auch das Proton gehört) übertragen.
"Ursula Schuepbach":
> Und Gasser und MrStupid sollen endlich mal erklären, was das mit
> PHILOSOPHIE zu tun hat, bevor die wieder ihre philosophischen Raketen da
> nach de.sci.philosophie senden -- [...]
Schon beim ersten Störposting in der Diskussion "Hilbert-Einstein-
Prioritätsstreit" durch "Ursula Schuepbach" bzw. oursus@bluemail.ch
vermutete ich, dass da eher keine Psychopathin am Werk ist. Wieso
sollte eine Psychopathin eine Diskussion so gezielt zumüllen
(26 Postings von obiger Adresse alleine) und dabei öfters direkt
oder indirekt versuchen, auf Crossposten hinzuweisen und negative
Stimmung gegen den Verursacher der Crossposterei zu machen?
Crossposten ist an und für sich ideal, eine Diskussion vor Degeneration
zu bewahren, denn irgend einen Schrott sendet man nicht an mehrere
Foren gleichzeitig (und Foren aus der Adressatenliste zu streichen,
ist auch nicht immer naheliegend).
Aber natürlich kann man Crossposten ganz einfach diskreditieren (wie
von oursus@bluemail.ch
in "Hilbert-Einstein-Prioritätsstreit" elegant
vorgeführt, indem man diesen Vorteil ins Gegenteil verkehrt. Als
angenehmer Nebeneffekt werden dabei auch die betreffenden Diskussionen
und Newsgruppen diskreditiert.
---
Viele Verbrechen, Manipulationen und andere Machenschaften waren
und sind nur deshalb möglich, weil es so einfach ist, Menschen als
Verschwörungstheoretiker lächerlich zu machen.
Euler vs. Newton? – 2005-04-18
>>
= Wolfgang G.
> = "MrStupid"
>> Wir sind uns einig, dass
>>
>> K = dp = d(m v) = m dv + v dm
>>
>> rein mathematisch gilt. Wenn wir aber in
>>
>> d(m v)
>>
>> m als unveränderliche Ruhemasse auffassen, dann ergibt sich:
>>
>> K = dp = d(m v) = m dv + v 0 = m dv
>>
>> was offensichtlich dem relativistischen Kraftbegriff widerspricht.
>
> Du machst hier einen weit verbreiteten Fehler: Du wirfst
> Relativitätstheorie und Newtonsche Mechanik und die darin
> verwendeten physikalischen Größen durcheinander.
Wir diskutieren hier Eulers F = m dv/dt versus Newtons
F = d(m v) / dt. Wir sind uns (im Gegensatz zur Autorin und
Wissenschaftshistorikerin Daniela Wuensch) einig, dass Newtons
Version nicht "unvollständiger" als Eulers Version ist.
Ich vermute, wir sind uns einig, dass Eulers F = m dv/dt dem
Kraftbegriff der SRT widerspricht, egal ob wir als Wert der Masse
die Ruhemasse (z.B. 1 kg) oder die entsprechende relativistische
Masse desselben Objekts (1.25 kg bei 0.6 c) verwenden.
Da "Geschwindigkeitsänderung", "Ruhemasse",
"Massenäquivalent
der Gesamtenergie" und "Kraft" zumindest auch in der Speziellen
Relativitätstheorie (SRT) klare und einfach quantifizierbare
Bedeutungen haben, können wir die Frage stellen, ob und unter
welchen Bedingungen Newtons Version F = d(m v)/dt mit den
(konkret quantifizierbaren) Voraussagen der SRT übereinstimmt.
Die Antwort ist klar:
Die klassische, durch F = d(m v)/dt ausgedrückte Beziehung gilt
(innerhalb der SRT), wenn wir m als relativistische Masse auffassen.
Die Beziehung gilt aber nicht, wenn wir m als Ruhemasse auffassen.
Somit ist "Kraft = Änderung von Masse_mal_Geschwindigkeit" mindestens
insofern allgemeiner als "Kraft = Masse mal
Geschwindigkeitsänderung",
als sie dem zweiten Newton'schen Axiom auch innerhalb einer SRT-
Weltsicht gerecht werden kann.
Und der Begriff der relativistischen Masse ist mindestens insofern
dem der Ruhemasse überlegen als er Newtons zweitem Axiom (auch in
klassischer Definition) gerecht wird. (Dass man Impuls anders als
klassisch definieren kann und dass bei so einer Definition auch
"Kraft = Impulsänderung" gelten kann, leugne ich nicht.)
>> Das heisst, p = m v wurde schlicht und einfach für überholt
erklärt.
>
> Auch das ist eine Folge desselben Fehlers. E=m·c² und p=m·v wurden in
> der RT nicht abgeschafft oder für überholt erklärt, sondern dort gelten
> dieselben Beziehungen für andere Größen bzw. andere Beziehungen für
> dieselben Größen.
Zu sagen, die ins Auge gefasste Beziehung gelte zwischen anderen
Grössen, bzw. eine andere Beziehung (als die ursprünglich ins Auge
gefasste) gelte zwischen den betrachteten Grössen, ist nichts anderes
als das Eingeständnis, dass die ursprünglich ins Auge gefasste
Beziehung zwischen den betrachteten Grössen nicht gilt.
> Die sogenannte relativistische Masse m/sqrt(1-v²/c²) hat es in der RT
> nie gegeben.
"Das Prinzip von der Erhaltung der Schwerpunktsbewung und die Trägheit
der Energie", A. Einstein, Ann. d. Phys. 20, 627, 1906 :
"In einer voriges Jahr publizierten
Arbeit habe ich gezeigt, dass
die Maxwellschen elektromagnetischen Gleichungen in Verbindung mit
dem Relativitätsprinzip und Energieprinzip zu der Folgerung führen,
dass die Masse eines Körpers bei Änderung von dessen Energieinhalt
sich ändere, welcher Art auch jene Energieänderung sein möge. Es
zeigte sich, dass einer Energieänderung von der Grösse Delta E
eine gleichsinnige Änderung der Masse von der Grösse Delta E/V^2
entsprechen müsse, wobei V die Lichtgeschwindigkeit bedeutet.
In dieser Arbeit will ich nun zeigen dass jener Satz die notwendige
und hinreichende Bedingung dafür ist, dass das Gesetz von der
Erhaltung der Bewegung des Schwerpunktes (wenigstens in erster
Annäherung) auch für Systeme gelte, in welchen ausser mechanischen
auch elektromagnetische Prozesse vorkommen."
> = Norbert Dragon
> Ich kenne beispielsweise mehr als ein Buch. Ich kenne keine
"Erhaltung
> der Bewegung des Masseschwerpunktes" sondern "Erhaltung der
> Geschwindigkeit des Energieschwerpunktes". Davon zu reden, dass
dieser
> Erhaltungssatz offensichtlich die Massen-Energie-Äquivalenz erzwinge,
> offenbart Ahnungslosigkeit von den verwendeten Begriffen.
Du wirfst also auch Einstein, (zumindest 1906, siehe oben)
Ahnungslosigkeit in dieser Frage vor.
Dass man das, was Einstein als "Masse" bezeichnete auch als (Massen-
Äquivalent der) Gesamtenergie bezeichnen kann, ist sowieso klar.
Ich behaupte nur, dass die Einstein'sche Definition von "Masse"
in Ockham'schem Sinne der revisionistischen Definition überlegen ist.
Es stellt sich die Frage, welche Interpretation des relativistischen
Impulses
1. p = m/sqrt[1-v2] v
= m[v] v
2. p = m v/sqrt[1-v2]
= m0 gamma_v[v]
3. p = m v 1/sqrt[1-v2] =
m0 v gamma[v]
physikalisch (nicht mathematisch) am sinnvollsten ist. Und gemäss
Einsteins Arbeiten zur Masse-Energie-Äquivalenz ist das offensichtlich
die 1. Interpretation.
Siehe auch: Einstein's E=mc2 derivation of
1905 simplified
> und Schlußbemerkung von ~vanhees/faq/relativity/node46
"Heutzutage bezeichnet man mit Masse
die Größe, die in veralteten
Darstellungen umständlich Ruhemasse heißt."
Man könnte genausogut sagen: Bei Einstein nennt man Masse die Grösse,
die in revisionistischen Darstellungen umständlich Massenäquivalent
der Gesamtenergie heisst.
"Das vergeudet einen Begriff, denn man
braucht kein Synonym für
Energie."
Nur zwingt uns der Begriff Energie sowie zur Unterscheidung in
nutzbare und nicht nutzbare Energie, in spezielle Energieformen
(kinetische, thermische usw.) und Gesamtenergie.
Die Begriffe Ruhemasse und invariante Masse sind zudem insofern
irreführend, als diese Masse in Abhängigkeit von Rotationsenergie und
thermischer Energie, die offensichtlich durch Bewegung verursacht
werden, variiert. Die am wenigsten willkürliche Definition von
Masse ist sicher die, die keine Energieformen ausschliesst.
Gemäss der revisionistischen Definition ist Masse keine Grösse mehr,
für die ein Erhaltungssatz gilt: schon bei normalen Stössen (ob
elastisch oder inelastisch) treten unweigerlich Massenänderungen auf.
> Du bist hoffnungslos hinter dem Erkenntnisstand der Physik.
In gewisser Hinsicht stimmt das sicher, denn ich bin zum Scheidepunkt
zurückgegangen, wo sich die Physik weg von Fernwirkungstheorien und
hin zu reinen Nahewirkungstheorien (Feldtheorien) weiterentwickelt
hat. Aber andererseits bin ich in den wesentlichen Fragen dem
Erkenntnisstand der modernen Physik weit voraus.